Solidarität – Protest – Revolution
Der Fall der Mauer ist eine europäische Geschichte, die nicht ohne die vorangegangenen mittel- und osteuropäischen Widerstandskämpfe zu denken ist. 2024 jähren sich auch die Verhandlungen am Runden Tisch in Warschau, die ersten teilweise freien Wahlen in der Volksrepublik Polen sowie die Öffnung des Eisernen Vorhangs zum 35. Mal. Die Veranstaltungsreihe „Solidarität – Protest – Revolution“ widmet sich am 28. Oktober, 5. und 7. November explizit dieser Perspektive und ergründet Zusammenhänge und Unterschiede der Oppositionsbewegungen.
Die Veranstaltungsreihe findet in Kooperation mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur statt.
Literatur & Solidarität. Lesung mit Ewa Maria Slaska und Utz Rachowski
28. Oktober 2024, 18.30 Uhr
Gedenkstätte Berliner Mauer, Besucherzentrum, Bernauer Straße 119, 13355 Berlin
Im Gespräch mit Doris Liebermann tauschen sich die Schriftstellerin Ewa Maria Slaska und der Schriftsteller Utz Rachowski über ihr Leben, das Schreiben im Exil und die Literatur als Zufluchtsort aus.
Biographien
- Ewa Maria Slaska, 1949 in Sopot geboren, ist Schriftstellerin, Journalistin und Übersetzerin. Seit 1980 war sie Mitarbeiterin der Gewerkschaft Solidarność, dies auch noch nach deren Verbot 1982, was politische Verfolgung nach sich zog. Ihr erster Roman „Portrait mit Amethyst“ erschien am 12. Dezember 1981, einen Tag vor Verhängung des Kriegszustandes in Polen. 1985 emigrierte sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach West-Berlin, wo sie als Fernsehjournalistin und Projektmanagerin arbeitete. Vom Exil aus unterstützte sie die demokratische Opposition in Polen. 1994 gründete Slaska den deutsch-polnischen Literaturverein „WIR“ und engagiert sich bis heute für bilaterale Verständigung.
- Utz Rachowski, geboren 1954 in Plauen und aufgewachsen in Reichenbach/Vogtland, wurde 1979 wegen „staatsfeindlicher Hetze“ und „Verbreitung von Hetzliteratur“ verhaftet und später nach West-Berlin ausgebürgert. Festgenommen worden war er wegen Verbreitung von Texten von Reiner Kunze, Jürgen Fuchs und Wolf Biermann, vor allem aber wegen fünf eigener Gedichte. Von West-Berlin aus unterstützte Rachowski die polnische Opposition, unter anderem reiste er nach Polen und brachte Texte verfolgter Autoren mit, um sie im Westen zu veröffentlichen. Die Auseinandersetzung mit der Diktatur, mit Verfolgung, Verrat und Exil wurde auch zum Stoff seines eigenen Schreibens.
Sänger der samtenen Revolution. Konzert von Jaroslav Hutka
5. November 2024, 19 Uhr
Immanuelkirche, Prenzlauer Allee 28, 10405 Berlin
Der tschechische Liedermacher Jaroslav Hutka ist mit Songs wie Náměšt bekannt geworden. Am 5. November lädt die Stiftung Berliner Mauer zu einem Konzert mit ihm ein.
Elf Jahre musste der tschechische Liedermacher und Charta 77-Unterzeichner Jaroslav Hutka im Exil in Holland und Deutschland verbringen. Während der „Samtenen Revolution“ kehrte er im November 1989 nach Prag zurück. Stundenlang wurde ihm am Flughafen die Einreise verweigert. Seine Freunde organisierten eine Demonstration, schließlich durfte er einreisen. Direkt vom Prager Flughafen fuhr er zur Massendemonstration auf dem Letná-Plateau, wo seine Freunde Václav Havel und Jiří Dienstbier schon auf der Tribüne auf ihn warteten. Seit Mitte der 70er Jahre waren Jaroslav Hutkas Platten verboten gewesen. Seit er 1978 ins Exil gedrängt worden war, hatten die Machthaber versucht, die Erinnerung an ihn auszulöschen.
Und dann die Überraschung: eine Million Menschen stimmten auf dem Prager Letná-Plateau in Hutkas friedliche und sanfte Lieder ein. Das Militär war an diesem Tag – 25.11.1989 - bereit zu schießen. Durch Hutkas Lieder wurde die Stimmung so friedlich, dass gewalttätige Aktionen unmöglich wurden. Václav Havel sagte ihm später, seine Lieder hätten die Revolution gerettet.
In Kooperation mit der Botschaft der Tschechischen Republik in Berlin, der Robert-Havemann-Gesellschaft und der Immanuelgemeinde
Solidarität mit Solidarność Zeitzeugengespräch und Filmvorführung
7. November 2024, 18.30 Uhr
Gedenkstätte Berliner Mauer, Besucherzentrum, Bernauer Straße 119, 13355 Berlin
Am 31. August 1980 wurde das „Danziger Abkommen“ unterzeichnet, eine Sensation. Zum ersten Mal wurde in einem sozialistischen Land eine unabhängige Gewerkschaft zugelassen. Ihr Name: „Solidarność“. Der Zulassung waren dramatische Wochen vorausgegangen. Eine Streikwelle gegen Preiserhöhungen, für mehr Freiheit und Rechte hatte ganz Polen erfasst, es hatte Verhaftungen, Einschüchterungen, Repressionen gegeben.
Der Mut und die Kraft der Gewerkschaftsbewegung „Solidarność“ machte vielen DDR-Oppositionellen Hoffnung auf Reformen im eigenen Land. "Lernt polnisch" war eine von zahlreichen Losungen, die Anfang der 1980er Jahre in der DDR kursierten. Die SED-Machthaber hatten Angst vor diesem „polnischen Bazillus“. Sie befürchteten Proteste im eigenen Land und reagierten mit offen antipolnischer Propaganda auf die Oppositionsbewegung des Nachbarlandes. Das MfS ging mit Verfolgungen und harten Strafen gegen Sympathisanten in der DDR vor.
Die Veranstaltung beginnt mit der Vorführung des Films „Lernt Polnisch. DDR-Oppositionelle und die Solidarność“ (Rosalia Romaniec und Magdalena Gwóźdź, 2016). In einer anschließenden Podiumsdiskussion tauscht sich der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Autor Wolfgang Templin mit Mitgliedern der Gewerkschaft „Solidarność“ über die Geschichte der Oppositionsbewegung aus: Welche Bedeutung hatte die länderübergreifende Solidarität zwischen den Oppostionsbewegungen? Wie lässt sich vor dem historischen Hintergrund auf die gegenwärtige politische Situation in Polen und Europa blicken? Das Gespräch wird von Doris Liebermann moderiert und findet auf Polnisch und Deutsch statt. Gedolmetscht von Dr. Piotr Olszówka.
Dokumentarfilm „Lernt Polnisch. DDR-Oppositionelle und die Solidarność“
Von Rosalia Romaniec und Magdalena Gwóźdź (45 Min.)