Die Berliner Mauer
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Die Berliner Mauer umschloss auf einer Länge von 155 km vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 West-Berlin und zog sich als Schneise durch die gesamte Innenstadt. Die Mauer sollte die Flucht von Ost-Berlin in den Westen verhindern. Seit 1961 ließ die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) die Mauer mit zahlreichen weiteren Grenzsperranlagen zu einem tief gestaffelten Sperrsystem ausbauen. Der so entstandene Grenzstreifen wurde im Westen "Todesstreifen" genannt, weil dort viele Menschen bei der Flucht getötet wurden. 1989 fiel die Mauer, mit der die SED versucht hatte, ihre Macht in der DDR zu erhalten. Der Mauerfall läutete das endgültige Ende der SED-Diktatur ein.
Seit dem Kriegsende 1945 hatte die Staatspartei SED mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht in Ostdeutschland eine Diktatur errichtet. Große Teile der ostdeutschen Bevölkerung waren mit dem neuen politischen und wirtschaftlichen System nicht einverstanden. Deshalb setzte bereits Ende der 1940er-Jahre eine schnell wachsende Fluchtbewegung ein, wobei sich bei den einzelnen Flüchtlingen politische, wirtschaftliche und persönliche Motive vermischten. Bis zum August 1961 hatte die DDR ein Sechstel ihrer Bevölkerung, also mindestens vier Millionen Menschen, verloren. Da die SED die Grenze der DDR zur Bundesrepublik schon 1952 abriegeln ließ, wurde der direkte Weg für Flüchtlinge immer gefährlicher. Viele nutzten deshalb die noch offenen Sektorengrenzen in Berlin, um durch dieses letzte Schlupfloch in die Bundesrepublik zu gelangen.
Am 13. August 1961 begann die SED die Grenzen rings um West-Berlin zunächst mit Stacheldraht und wenige Tage später mit Mauern endgültig abzuriegeln. Sie versuchte so, die anschwellende Fluchtbewegung zu beenden. Zugleich wollte die SED ihre Macht stabilisieren und nach außen Souveränität dokumentieren. Trotz Stacheldraht und Mauer konnte die Fluchtbewegung nicht vollständig gestoppt werden. Deshalb wurden die Grenzsperren in Berlin bis 1989 immer weiter perfektioniert.
Mit dem Bau der Mauer gelang es der SED-Führung nicht, die Fluchtbewegung vollständig zu stoppen. Im Gegenteil: Weil der Mauerbau Freunde und Verwandte in Berlin voneinander getrennt hatte, versuchten besonders in Ost-Berlin und im Berliner Umland noch viele Menschen, über die Grenzsperren zu fliehen. Die SED ließ diese deshalb ausbauen, so dass aus der einfachen Mauer eine komplexe und tief gestaffelte Anlage zur Fluchtverhinderung wurde.
Zunächst errichteten Grenzsoldaten und Pioniere nach jeder geglückten Flucht – oft provisorisch – weitere Sperren hinter der Grenzmauer. Seitdem 1963 ein Grenzgebiet hinter der Mauer in Ost-Berlin festgelegt worden war, wurde dieser Bereich an vielen Stellen durch einen Zaun weiträumig abgesperrt. Mitte der 1960er Jahre ließ die SED einen gleichförmigen Grenzstreifen anlegen, für den Wohnhäuser abgerissen wurden. Für die Grenzsoldaten sollte freies „Sicht- und Schussfeld“ geschaffen werden. In den folgenden Jahren wurde dieser Grenzstreifen permanent ausgebaut und perfektioniert. In den 1970er Jahren kam eine zweite Mauer hinzu, die „Hinterlandmauer“, die den Grenzstreifen zu Ost-Berlin bzw. der DDR hin begrenzte.
Anfang der 1980er Jahre bot sich Flüchtlingen als erstes Hindernis die Hinterlandmauer, die den Grenzstreifen zur DDR hin abschloss. Danach musste ein Signalzaun überstiegen werden, dessen Berührung die in den Beobachtungstürmen stationierten Grenzsoldaten alarmierte. Am Fuß dieses Zaunes waren häufig Dornenmatten – sogenannte Flächensperren – mit nach oben weisenden Stahlnägeln ausgelegt, die die flüchtende Person entweder verletzen oder abschrecken sollten. Nachdem Postenweg und Kontrollstreifen überquert waren, mussten Fahrzeugsperren überwunden werden, die eine Flucht mit dem Auto oder einem Lastwagen verhindern sollten. In der Innenstadt bestanden sie zumeist aus Stahligeln, die aus Eisenbahnschienen zusammengeschweißt und außerdem mit Stacheldraht verbunden waren, um auch eine Sperre für zu Fuß Flüchtende zu bilden. Am Außenring wurde häufig ein Sperrgraben angelegt. Als letztes Hindernis vor dem Westen mussten Flüchtende die 3,60 Meter hohe Grenzmauer überwinden.
An einigen Stellen waren zudem Hundelaufanlagen installiert, in denen Wachhunde den Weg versperrten, die Grenzsoldaten bei Annäherung eines Flüchtlings alarmierten und diesen von einer Fortsetzung seiner Flucht abschreckten. Nachts war der Grenzstreifen durch die Lampen der sogenannten Lichttrasse hell erleuchtet, damit die Grenzsoldaten auch bei Dunkelheit fliehende Menschen gut erkennen konnten: Personen zeichneten sich vor den innen weiß gestrichenen Flächen der beiden Mauern, die den Grenzstreifen einfassten, deutlich ab. In regelmäßigen Abständen von etwa 250 Metern standen Wachtürme, die mit Grenzsoldaten besetzt waren. Sie waren so positioniert, dass die dort postierten Grenzer den zwischen ihnen liegenden Grenzabschnitt gut übersehen konnten. Von dort aus überwachten sie den Grenzstreifen und das Hinterland der Grenze, um Flüchtlinge frühzeitig ausmachen zu können. Gleichzeitig sollten die Grenzsoldaten das an die Mauer angrenzende Gebiet West-Berlins beobachten.
Seit Ende der 1970er Jahre ließ die SED-Führung die bisherige Grenzmauer erneuern. Zunehmend um internationale Anerkennung bemüht, wollte sie seitdem vermeiden, dass martialisch aussehende Grenzsperren wie Dornenmatten, Bunker und Fahrzeugsperren das Außenbild der ostdeutschen Hauptstadt prägten. Seit 1983 wurden solche Sperren aus dem Grenzstreifen entfernt. Dies wurde auch möglich, weil die neue Mauer deutlich "sperrfähiger" war und die Überwachung sowohl des Grenzhinterlandes als auch der gesamten DDR verbessert worden war: Es kam also weniger auf diese Grenzsperren an. Ende der 1980er-Jahre, kurz vor dem Mauerfall 1989, war die Mauer zwischen Ost- und West-Berlin von den meisten der martialischen Grenzsperren geräumt.
Mauer und Sperranlagen allein wären kein ausreichendes Hindernis für Flüchtlinge gewesen. Deshalb bewachten bewaffnete Soldaten die Mauer. Sie hatten den Befehl, auf Flüchtlinge zu schießen, wenn sie deren Flucht anders nicht verhindern konnten. Im Westen war deshalb vom „Schießbefehl“ die Rede.
Der Schusswaffengebrauch an den Westgrenzen der DDR wurde durch interne Anweisungen und Befehle geregelt, erst seit 1982 durch ein Gesetz, das „Grenzgesetz der DDR“. Unabhängig von der sich verändernden Normlage galt seit 1952 eine mündlich hergestellte Befehlslage, die es für die Grenzpolizisten und Grenzsoldaten zur Pflicht machte, auf Flüchtende zu schießen, wenn sie auf andere Weise eine Flucht nicht verhindern konnten.
An den Grenzen der DDR kamen mehrere hundert Menschen durch den Einsatz von Schusswaffen ums Leben. Zwischen 1961 und 1989 wurden allein an der Berliner Mauer 91 der 140 Todesopfer von DDR-Grenzsoldaten erschossen, bei den meisten von ihnen handelte es sich um Flüchtende. Erst im April 1989 wurde die Anweisung zum Schießen aufgehoben und im November verlor sie mit der Öffnung der Mauer jegliche Bedeutung.
Auf der KSZE-Konferenz von Helsinki 1975 hatte die SED dem Recht auf Freizügigkeit und Reisefreiheit prinzipiell zugestimmt, ohne sie tatsächlich zugestehen zu wollen. Seitdem stellten immer mehr DDR-Bürgerinnen und Bürger Anträge zur dauerhaften Ausreise nach Westdeutschland. Außerdem formierte sich in der DDR in den 1980er Jahren eine Oppositionsbewegung, deren Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen zunehmend fundamentaler wurde. Umweltzerstörung und wirtschaftliche Stagnation führten auch in der breiten Bevölkerung zu Verärgerung und Abwendung vom SED-Staat. Ähnliche Entwicklungen in anderen Ostblockstaaten führten beispielsweise in Polen zur Gründung der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung Solidarność, die im November 1980 ihre staatliche Anerkennung erkämpfte.
Nachdem Michail Gorbatschow 1985 Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion geworden war, änderte sich langsam die politische Situation im gesamten Ostblock. Mit innenpolitischen Reformen versuchte er zunächst, die gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu bewältigen. 1988 gab er den für die sowjetische Außenpolitik maßgeblichen politischen Grundsatz der eingeschränkten Souveränität der Warschauer-Pakt-Staaten auf (sogenannte Breschnew-Doktrin). Damit ermöglichte er den Ostblockländern, ihre nationale Politik selbst zu bestimmen. Die ungarische Annäherung an den Westen führte dazu, dass in Ungarn am 2. Mai 1989 demonstrativ der Abbau des Grenzzauns begann und der „Eiserne Vorhang“ sein erstes Loch bekam.
Die SED wollte den Reformkurs der Sowjetunion für die DDR nicht übernehmen. Die sich Ende der 1980er Jahre formierende breite Protestbewegung in der ostdeutschen Bevölkerung und eine anwachsende Fluchtbewegung setzte der Diktatur 1989 jedoch ein Ende. Die SED sah sich zu Zugeständnissen gezwungen, darunter der Gewährung der Reisefreiheit. Nach der fehlerhaften Bekanntgabe eines neuen Gesetzes zur Ausreise fiel die Berliner Mauer am 9. November 1989 unter dem Ansturm der Menschenmassen. Ihr Fall leitete den endgültigen Untergang der DDR ein.
Nach der Öffnung der Mauer setzte ihr Abriss ein. Sogenannte „Mauerspechte“ brachen sich ihre Souvenirs heraus. Eine immer größer werdende Zahl neuer Grenzübergänge ließ zahlreiche Mauerlücken entstehen. Grenzsoldaten bauten den Signalzaun und weitere Elemente der Grenzanlagen ab. Sowohl die Regierung der DDR als auch Angehörige der Grenztruppen begannen, über eine Vermarktung der Mauer nachzudenken. Teile der Mauer wurden in alle Welt verkauft.
Im Juni 1990 begann an der Ackerstraße zwischen den Bezirken Wedding (West-Berlin) und Mitte (ehemals Ost-Berlin) der systematische Abbau der Grenzanlagen, der am Ende des Jahres weitgehend abgeschlossen war. Einige Mauerabschnitte wurden 1990 aber noch durch den Ost-Berliner Magistrat unter Denkmalschutz gestellt, u.a. in der Bernauer Straße.