35 Jahre Mauerfall
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Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 jährte sich 2024 zum 35. Mal. Die Stiftung Berliner Mauer hat mit dem Sonderprogramm "Demokratie erinnern | Revolution gestalten" an mehreren Orten in der Stadt an die Ereignisse erinnert. Das Programm widmete sich unterschiedlichen Erfahrungen und internationale Perspektiven auf die Ereignisse im Herbst 1989, aber auch die Zeit danach in Europa und Deutschland.
Ein besonderer Fokus lag auf Polen und den Ereignissen in Osteuropa. Gemeinsam mit dem Europäischen Zentrum der Solidarność (Gdańsk) und in Anwesenheit zahlreicher deutscher und polnischer Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wurde im Juni 2024 eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Sie sieht eine Vertiefung der Zusammenarbeit beider Institutionen vor. Eine Delegation aus Danzig besuchte Berlin und zahlreiche polnische Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichteten von ihren persönlichen Erlebnissen und der Bedeutung der Solidarność-Bewegung für den friedlichen Wandel in Europa.
Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen traten dabei auch in den Austausch mit Jugendlichen aus Polen, Frankreich und Deutschland: Bei einer mehrtägigen Jugendbegegnung setzten sich die Jugendlichen mit den Ereignissen auseinander und diskutierten ihre Sicht auf den Mauerfall und seine Bedeutung für Europa. Sie setzen sich künstlerisch mit den historischen Solidarność-Plakaten auseinander und entwickelten eine eigene Sonderausstellung, die im Besucherzentrum der Gedenkstätte gezeigt wurde. Außerdem sprachen sie im Rahmen der Gedenkveranstaltung am 9. November.
Im Austausch und Dialog ist Neues entstanden – die Ergebnisse präsentieren wir hier.
Jedes Jahr findet am 9. November an der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße die zentrale Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Mauerfalls statt. 2024 nahmen daran zahlreiche nationale und internationale Gäste teil. Rund 650 Menschen - darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, sowie eine Delegation des Europäischen Solidarność-Zentrums in Gdańsk steckten bunte Rosen in die Hinterlandmauer und entzündeten Kerzen am Denkmal der Gedenkstätte. Zu den internationalen Gästen zählten auch die iranisch-amerikanische Journalistin und Frauenrechtlerin Masih Alinejad sowie die belarussische Bürgerrechtlerin Sviatlana Tsikhanouskay.
Es sprachen Jugendliche aus Polen, Frankreich und Deutschland, sowie der polnische Politiker und Mitbegründer der Solidarność, Bogdan Borusewicz.

Schülerinnen und Schüler aus Frankreich, Polen und Deutschland tragen bei der Gedenkveranstaltung Texte vor, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer, Foto Norman Behrendt

Musikerinnen und Musiker des Posaunenchors Limlingerode, im einstigen Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze, beim Posaunenruf, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Norman Behrendt

v.l. Lisa Paus, Familienministerin, Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin, und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und weitere Gäste an der Hinterlandmauer, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Norman Behrendt

Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin, beim Rosenstecken an der Hinterlandmauer, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer, Norman Behrendt

Bogdan Borusewicz, Zeitzeuge und Mitbegründer der Solidarność, hält eine Rede in der Kapelle der Versöhnung, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer

v.l.: Lisa Paus, Familienministerin, Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin, Thomas Jeutner, Pfarrer, und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Norman Behrendt

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entzündet eine Kerze an Erinnerung an die mutigen Demonstrierenden im Herbst '89, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Norman Behrendt
„People Have the Power!“ singt Patti Smith in ihrem gleichnamigen Hit von 1988. Mit einer musikalischen Performance nahm die niederländische Künstlerin Renee van Bavel die Botschaft des Songs mit in Erinnerung an die friedliche Überwindung der Diktatur und des Falls der Mauer am 9. November 1989. Gemeinsam mit 10 Chören aus Berlin, organisiert im Berliner Chorverband, setzte das Lied ein Zeichen des Zusammenhalts bei der Gedenkveranstaltung und soll Mut machen in schwierigen Zeiten.

Anfang der 1980er Jahre zeichnete sich mehr und mehr die Stagnation des gesamten „Ostblock“ ab. Gerade junge Menschen rebellierten privat oder unter großen Gefahren zunehmend auch im öffentlichen Raum gegen gesellschaftlichen Stillstand, politische Repressionen und die fortschreitend prekäre Wirtschaftslage. Gerade auch Friedens- und Umweltthemen wurden in die Öffentlichkeit getragen. Der DDR-Führung gelang es zunächst noch, den wachsenden Unmut der Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. Im Nachbarland Polen konnte sich die kommunistische Herrschaftspartei 1981 aber nur noch mit Waffengewalt an der Macht halten. Mit der Amtseinführung Michail Gorbatschows 1985 begann auch in der Sowjetunion ein Reformprozess. Die Schutzmacht der kommunistischen Hardliner in Osteuropa schien ab der Mitte des Jahrzehnts immer weniger bereit, die Reformbestrebungen in seiner Einflusssphäre gewaltsam zu unterdrücken.
Zu Beginn des Jahres 1989 gab die kommunistische Führung in Polen schließlich dem gesellschaftlichen Druck nach und trat in den Dialog mit der starken antikommunistischen Opposition. Anfang April wurde die verbotene Gewerkschaft Solidarność wieder zugelassen und im Juni teilweise freie Wahlen anberaumt. Diese Entwicklung in Polen wurde von Oppositionellen im gesamten „Ostblock“ aufmerksam verfolgt. Auch in der DDR begannen sich Oppositionsgruppen zu vernetzen, deckten Wahlbetrug auf, organisierten die Montagsdemonstrationen und brachten am 9. November 1989 schließlich die Berliner Mauer und damit das weltweit bekannte Machtsymbol des SED-Staates zu Fall.
Die Oppositionsbewegungen wurden von Freiheitswillen und dem Wunsch nach Demokratie und Menschenrechten getragen. Viele ihrer Forderungen konnten durchgesetzt werden: Die „Friedliche Revolution“ erkämpfte Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit. Doch auf die erfolgreiche Revolution und den Mauerfall folgte für manche Ernüchterung. Jahrzehntelange Sicherheiten brachen zusammen und die rasanten politischen Veränderungen der Folgezeit erforderten Anpassungsfähigkeit und Mut. Die Menschen erlebten die Zeit nach dem Mauerfall sehr unterschiedlich.
Es gibt nicht die eine Geschichte vom Menschen gemachten Mauersturz, sondern individuelle Erlebnisse und eine Vielzahl von Eindrücken, die sich mit dem Aufbruchsjahr 1989 und der Transformationszeit danach verbinden. Zum 35. Jahrestag der Friedlichen Revolution und des Mauerfalls hat die Stiftung Berliner Mauer diesen Perspektiven Raum gegeben und ihre Stimmen gehört.
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29. Januar
In Ungarn verzichtet die Kommunistische Partei auf ihre Führungsrolle.
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6. Februar
Erstes Treffen am Runden Tisch in Warschau. Die Kommunisten geben die alleinige Macht ab.
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11. März
Die 1986 in Berlin gegründete Initiative Frieden und Menschenrechte gibt ihre DDR-weite Ausdehnung bekannt.
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5. April
Wiederzulassung der Solidarność in Polen.
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2. Mai
Ungarn öffnet, nachdem es im März der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten ist, seine Grenze und baut erste Grenzsperren ab.
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7. Mai
Bei den Kommunalwahlen in der DDR decken Oppositionsgruppen massenhaften Wahlbetrug auf.
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4. Juni
Tian’anmen-Massaker: Die Kommunistische Führung in China schlägt Proteste der Demokratiebewegung blutig nieder. Am selben Tag gewinnt in Polen die Opposition die erste Runde der teilweise freien Parlamentswahlen.
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18. Juni
Zweite Runde der polnischen Parlamentswahlen. Das „Bürgerkomitee Solidarność“ gewinnt alle 161 der in freier Wahl vergebenen Sitze im Sejm und 99 von 100 Sitzen im neu errichteten Senat.
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19. Juli
Wojciech Jaruzelski wird unter Duldung der Opposition polnischer Staatspräsident. Er bekleidet das Amt bis 1990.
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19. August
Paneuropäisches Picknick bei Sopron, mehrere hundert DDR-Bürger nutzen diesen symbolischen Akt zur Flucht.
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4. September
In Leipzig findet die erste Montagsdemonstration statt.
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9. Oktober
In Leipzig finden sich 70.000 Teilnehmende zur ersten Großdemonstration zusammen.
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30. Oktober
300.000 Teilnehmende bei der Montagsdemonstration in Leipzig.
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4. November
Größte nicht gelenkte Demonstration der DDR-Geschichte. Auf dem Berliner Alexanderplatz nehmen Hunderttausende teil.
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9. November
Fall der Berliner Mauer. Die Grenztruppen geben dem Druck der Menschenmenge zuerst am Grenzübergang Bornholmer Straße nach.
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4. Dezember
Nach der Montagsdemonstration besetzen Demonstrierende die Stasi-Zentrale und verhindern ihre weitere Tätigkeit.
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7. Dezember
Am "zentralen runden Tisch" in Berlin beginnen DDR-Regierung und SED mit Vertreterinnen und Vertretern von Opposition und Kirche über die demokratische Umgestaltung der DDR und die Machtenthebung der SED zu sprechen.
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22. Dezember
Das Brandenburger Tor in Berlin wird 28 Jahre nach der Schließung der Sektorengrenzen und dem Bau der Mauer wieder geöffnet.
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29. Januar
In Ungarn verzichtet die Kommunistische Partei auf ihre Führungsrolle.
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6. Februar
Erstes Treffen am Runden Tisch in Warschau. Die Kommunisten geben die alleinige Macht ab.
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11. März
Die 1986 in Berlin gegründete Initiative Frieden und Menschenrechte gibt ihre DDR-weite Ausdehnung bekannt.
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5. April
Wiederzulassung der Solidarność in Polen.
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2. Mai
Ungarn öffnet, nachdem es im März der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten ist, seine Grenze und baut erste Grenzsperren ab.
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7. Mai
Bei den Kommunalwahlen in der DDR decken Oppositionsgruppen massenhaften Wahlbetrug auf.
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4. Juni
Tian’anmen-Massaker: Die Kommunistische Führung in China schlägt Proteste der Demokratiebewegung blutig nieder. Am selben Tag gewinnt in Polen die Opposition die erste Runde der teilweise freien Parlamentswahlen.
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18. Juni
Zweite Runde der polnischen Parlamentswahlen. Das „Bürgerkomitee Solidarność“ gewinnt alle 161 der in freier Wahl vergebenen Sitze im Sejm und 99 von 100 Sitzen im neu errichteten Senat.
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19. Juli
Wojciech Jaruzelski wird unter Duldung der Opposition polnischer Staatspräsident. Er bekleidet das Amt bis 1990.
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19. August
Paneuropäisches Picknick bei Sopron, mehrere hundert DDR-Bürger nutzen diesen symbolischen Akt zur Flucht.
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4. September
In Leipzig findet die erste Montagsdemonstration statt.
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9. Oktober
In Leipzig finden sich 70.000 Teilnehmende zur ersten Großdemonstration zusammen.
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30. Oktober
300.000 Teilnehmende bei der Montagsdemonstration in Leipzig.
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4. November
Größte nicht gelenkte Demonstration der DDR-Geschichte. Auf dem Berliner Alexanderplatz nehmen Hunderttausende teil.
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9. November
Fall der Berliner Mauer. Die Grenztruppen geben dem Druck der Menschenmenge zuerst am Grenzübergang Bornholmer Straße nach.
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4. Dezember
Nach der Montagsdemonstration besetzen Demonstrierende die Stasi-Zentrale und verhindern ihre weitere Tätigkeit.
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7. Dezember
Am "zentralen runden Tisch" in Berlin beginnen DDR-Regierung und SED mit Vertreterinnen und Vertretern von Opposition und Kirche über die demokratische Umgestaltung der DDR und die Machtenthebung der SED zu sprechen.
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22. Dezember
Das Brandenburger Tor in Berlin wird 28 Jahre nach der Schließung der Sektorengrenzen und dem Bau der Mauer wieder geöffnet.
Mit dem „mobilen Erinnerungslabor“ haben wir Geschichten und Erinnerungen der Berlinerinnen und Berliner an den Mauerfall gesammelt. Das Labor tourte mit dem East Side Gallery-Fahrrad durch verschiedene Berliner Bezirke, im Ost- und Westteil der Stadt, um Statements zu den Ereignissen festzuhalten.
Wie war der 9. November 1989 für sie? Welche Eindrücke prägten die turbulenten 1990er Jahre? Und was bedeutet 1989 aus heutiger Sicht? Diese Sammlung von Perspektiven aus der ganzen Stadt zeigt die Vielfalt der Erfahrungen und öffnete Raum für Dialog über die gemeinsame Vergangenheit.

Das mobile Erinnerungslabor on Tour © Stiftung Berliner Mauer
Aus den über 200 Live Videos des mobilen Erinnerungslabor hat die Stiftung Berliner Mauer einen Zusammenschnitt von 183 Zeitzeugenaussagen kreiert. Dieser wurde am Abend des 9. November 2024 an die East Side Gallery projiziert.
Alle Videos in voller Länge finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Stiftung Berliner Mauer. Dort gibt es verschiedene Playlists zu den jeweiligen Terminen nach Drehort sortiert.
Teil unseres Programms waren auch die vielen unterschiedlichen Statements und Perspektiven von Menschen, die die Ereignisse vor 35 Jahren in Europa erlebt haben. Ein besonderes Highlight war die Zusammenarbeit mit polnischen Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, die selbst Teil der Solidarność-Bewegung in Danzig waren und von ihrem Engagement für Freiheit und Demokratie berichteten. Ihre Erzählungen machen deutlich, wie eng die Entwicklungen in Polen mit dem Fall der Berliner Mauer verknüpft sind.
Die Videoinstallation 35 Jahre Mauerfall. 17 Perspektiven porträtiert 17 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die über ihre Erfahrungen rund um den 9. November 1989 und die Auswirkungen der Friedlichen Revolution auf ihr Leben berichten. Alle Interviews sind in voller Länge auf YouTube veröffentlicht.
Film, Musik und Kunst sowie Live-Performances bereicherten das Programm rund um den 35. Jahrestag des Mauerfalls: Ob bei einem Filmfestival im Berliner Kino Colosseum oder einer Plakatausstellung an der East Side Gallery, bei der Projektion persönlicher Botschaften vom Erinnerungslabor, mit Gitarrenmusik an der Gedenkstätte Berliner Mauer und einer Chor-Performance bei der Gedenkveranstaltung am 9. November 2024. Sie zeigten, wie Musik, Kunst und Film untrennbar mit der Erinnerung an die Revolution und den Werten der Demokratie verbunden sind und wie vielfältig die Auseinandersetzung mit Geschichte sein kann.

Jaroslav Hutka, Sänger der "Samtenen Revolution", beim Konzert in der Immanuelkirche Berlin, 5. November 2024 © Robert-Havemann-Gesellschaft, Foto: Rolf Walter

Installation "Wall to Table" von Meike Ziegler an der Gedenkstätte, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer

Essener Gitarrenduo spielt in der Gedenkstätte Berliner Mauer, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer

Mauerfilmfestival in Kooperation mit dem Geschichtsbüro Müller im Filmtheater Colosseum, 9. November 2024 © Stiftung Berliner Mauer
Veranstaltungen
Ausstellungen
Archive
Kooperationen
- Botschaft des Königreichs der Niederlande
- Botschaft der Republik Polen in Berlin
- Botschaft der Tschechischen Republik in Berlin
- Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
- Chorverband Berlin
- Evangelische Immanuel-Kirchengemeinde
- Europäisches Zentrum der Solidarność
- FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
- Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
- Geschichtsbüro Müller
- Kulturprojekte Berlin GmbH
- Mobile Stadtteilarbeit Mariendorf-Ost
- Nachbarschaftstreff Schillerkiez / Nachbarschaftshaus am Körnerpark
- Robert-Havemann-Gesellschaft
- Stadtbibliothek im Fontane-Haus
- Stadtteilzentrum SüdOst
- Stephanus-Stiftung
- Stiftung Brandenburger Tor
- Studio asisi
- ufaFabrik Berlin
Das Sonderprogramm der Stiftung Berliner Mauer zum 35. Jahrestag des Mauerfalls wurde gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.