Die längste Open-Air Galerie der Welt
Auf über 1,3 Kilometern erstreckt sich die East Side Gallery zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke und zählt zu einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Über 118 Kunstschaffende aus 21 Ländern gestalteten sie als längste Open-Air-Galerie der Welt, deren Werke heute dazu beitragen den historischen Ort lebendig zu halten und seine Geschichte für Besuchende aus aller Welt zugänglich zu machen.
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Nach dem Fall der Berliner Mauer vergingen nur wenige Tage, bis Künstlerinnen und Künstler erstmals die Möglichkeit wahrnahmen, die Ostseite der Berliner Mauer zu bemalen. Jedoch überstrichen DDR-Grenzsoldaten die Bilder auf den Segmenten am Potsdamer Platz sofort wieder. Kurz darauf präsentierte der Künstler David Monty aus Schöneberg zusammen mit der Künstlerin Heike Stephan aus Prenzlauer Berg seine Idee, die "Mauer zur größten Galerie der Welt" zu machen. In mehreren Gesprächen mit dem Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR einigte man sich schließlich auf das Mauerstück in der Mühlenstraße. Mit offiziellem Auftrag des DDR-Ministerrates wurde das Projekt "East Side Gallery" gegründet und Kunstschaffende aus der ganzen Welt dazu aufgerufen, sich zu beteiligen. Nachdem zunächst Heike Stephan als auch einige Zeit später David Monty nicht mehr an dem Projekt mitwirkten, übernahm Montys damalige Assistentin, Christine MacLean, die Projektkoordination. Ab März 1990 betreute sie die Mitwirkenden, akquirierte Sponsorengelder und entwickelte Werbemaßnahmen. Sie arbeitete mit der Veranstaltungs- und Werbeagentur wuva zusammen. Am 28. September 1990 wurde die East Side Gallery eröffnet. Die Künstlerinnen und Künstler schufen mit ihren individuellen Botschaften und Kommentaren ein Dokument dafür, dass der Wunsch nach Freiheit letztlich stärker ist als Zwangsmaßnahmen und Gewalt. Mit mehr als hundert Gemälden drückten sie ihre Freude über den Mauerfall und die Überwindung des Kalten Kriegs aus, sie verliehen ihren Hoffnungen für ein Leben in Frieden, Freiheit und Demokratie Ausdruck. Viele Kunstwerke zeugen aber auch von den Sorgen über eine ungewisse Zukunft.
Mit ihrer Kunst bewahrten die Beteiligten an der East Side Gallery die Mauer vor ihrem Abriss, vor weiterem Zerfall und vor Zerstörung. Im November 1991 wurde die East Side Gallery in die Denkmalliste des Landes Berlin eingetragen. Die East Side Gallery ist nicht nur das sichtbarste Resultat der Maueröffnung – infolge des inzwischen nahezu vollständigen Abrisses der Berliner Mauer zählt sie heute auch zu den wenigen Relikten der Grenzanlagen, die die 28-jährige Teilung der Stadt an ihrem ursprünglichen Standort wahrnehmbar macht.
Stimmen zur Entstehung der East Side Gallery
Die Künstler Jim Avignon, Andreas Kämper und Kiddy Citny erinnern sich zusammen mit Christine MacLean, Mitorganisatorin der East Side Gallery, an die Bemalung von 1990. Im Gespräch mit Lutz Henke (Visit Berlin) berichten sie 30 Jahre nach der Einweihung der East Side Gallery von den Umständen der Malaktion sowie von ihren unterschiedlichen Bezügen zur Berliner Mauer und diskutieren über den zukünftigen Umgang mit diesem Ort.
Podcasts der Stiftung Berliner Mauer
In der Podcasts-Serie „Zukunftsgefühle 1990: Geschichten zur Mauerkunst an der East Side Gallery“ erzählen Künstlerinnen und Künstler der East Side Gallery die Geschichten hinter ihren Kunstwerken: Sie erinnern sich an den Moment, als sie vor der Mauer standen, die kurz zuvor noch bedrohlich und undurchdringbar war, und den ersten Pinselstrich machten.
Die Serie entstand im Rahmen des Veranstaltungsprogramms anlässlich des 30. Jahrestages der East Side Gallery im September 2020.
Das Jubiläumsprogramm wurde gefördert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Die East Side Gallery als umstrittenes Denkmal
Die letzte großflächige Sanierung der East Side Gallery fand 2009 statt. Die Sanierung war aufgrund des witterungsbedingten Verfalls und unzähliger Beschmierungen sowie kleinerer und größerer Zerstörungen notwendig.
Die letzte Sanierung wurde von der Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung mbH (S.T.E.R.N.) mit einem Budget von mehr als 2 Millionen Euro durchgeführt. Für die Sanierung war es notwendig, das Mauerwerk instand zu setzen. Dafür musste ein Großteil der Bilder abgestrahlt werden. Alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen, ihre Gemälde noch einmal auf die Berliner Mauer zu malen. Während die Mehrheit ihr Gemälde wiederherstellte, kritisierte eine kleinere Gruppe die Sanierungsarbeiten und weigerte sich, ihre Gemälde neu aufzubringen. Die zugehörigen Mauersegmente sind seitdem unbemalt. Heute existieren auf der East Side Gallery diese im Jahr 2009 entstandenen Repliken und ein Originalbild aus 1990, das Kunstwerk „Hands“ von Margaret Hunter und Peter Russell.
Hands
Das einzig verbliebene Original an der East Side Gallery
Das Bild „Hands“ von Margaret Hunter und Peter Russell vermittelt eindrücklich die Geschichte der East Side Gallery: Als einziges Original von 1990 zeigt es, wie die Bilder ursprünglich aussahen. Nur „Hands“ wurde bei den großen Sanierungen den Jahren 2000 und 2009 nicht neu gemalt, sondern seit 1990 immer nur konservatorisch behandelt. Die Stiftung Berliner Mauer hat das Bild im Rahmen des 30. Jahrestages der East Side Gallery konservieren lassen, um es langfristig zu erhalten. Am 13. September 2020 sprachen Margaret Hunter und Stiftungsdirektor Axel Klausmeier über den Schutz und die Sanierungen des Denkmals. Anschließend fanden Führungen statt, bei denen sich die Teilnehmenden über viele weitere Kunstwerke austauschten.
Entdecken Sie einige Impressionen des Tages und erfahren Sie in dem Podcast mit der Künstlerin mehr über die Entstehung und den Wandel von „Hands“!
In den Jahren nach dem Mauerfall nahmen die stadtplanerischen Konzepte den Spreeraum rund um die Oberbaumbrücke auf. Die Bauvorhaben direkt am Wasser standen dabei oft nicht im Einklang mit dem Erhalt der unter Denkmalschutz stehenden East Side Gallery. Für die Bebauungen wurden Maueröffnungen geschaffen, die vor allem im Jahr 2013 großen Protest und Demonstrationen auslösten. Zuletzt wurden im März 2018 Teile der bemalten Mauer herausgenommen und an einer anderen Stelle in unmittelbarer Nähe aufgestellt.
Im November 2018 wurden die Grundstücke „Park an der Spree“ und „East Side Park“ mitsamt der Elemente der ehemaligen Berliner Mauer (East Side Gallery) durch das Land Berlin an die Stiftung Berliner Mauer übertragen. Sie hat die Aufgabe das Denkmal zu pflegen und zu erhalten und am Ort Bildungs-, Vermittlungs- und Informationsarbeit zur Geschichte der Berliner Mauer und der Geschichte der East Side Gallery zu leisten.
Die Kunstwerke der East Side Gallery sahen 1990 anders aus als heute. Bereits in den 1990er-Jahren machten Beschmierungen und die Witterungseinflüsse es notwendig, dass KünstlerInnen beschädigte Stellen an ihren Bildern teilweise oder ganz neu malten. Für den langfristigen Erhalt der Kunstwerke fanden 2008/2009 umfassende Sanierungsarbeiten statt. Dabei wurden die Bilder zerstört, um das Mauerwerk in Stand zu setzen. Anschließend haben viele der Beteiligten ihre Bilder erneut aufgemalt: einige originalgetreu, andere nahmen Veränderungen vor. Eine kleine Gruppe weigerte sich, die Bilder neu zu malen.
Hier zeigen wir Ihnen nur eine kleine Auswahl der Veränderungen an den Bildern.
Jim Avignon
„Doin it cool for the East Side“
Jim Avignon beteiligte sich nicht an den Restaurierungen seines Bildes. Er kritisierte die Rekonstruktion der Originale mit dem Argument, dass sich Kunst im öffentlichen Raum auf aktuelle Verhältnisse beziehen sollte. Mit diesem Anliegen malte er sein Bild 2013 komplett neu, unterstützt von Kunstschülerinnen und -schülern aus Berlin. Das Originalbild von 1990 zeigte zahlreiche Ereignisse und Erlebnisse des Umbruchs 1989/1990. Sein neues Bild ist ein Panorama des gegenwärtigen Berlins bei Tag und bei Nacht.
Hans-Peter Dürhager und Ralf Jesse
„Der müde Tod“
Die Künstler gaben ihrem Bild im Rahmen der Sanierungsarbeiten 2008/2009 eine andere Farbgestaltung.
Andreas Kämper und Jens Hübner
"Ohne Titel"
Die Künstler klebten 1990 ein großformatiges Foto von einer Leipziger Demonstration im Herbst 1989 auf die Mauer. Bei der Sanierung 2008/2009 wurde ihr Bild von einem anderen Künstler der East Side Gallery rekonstruiert. Dabei wurde das Foto auf die Mauer gemalt, nicht wie beim Original ein Foto aufgeklebt.
Barbara Greul Aschanta
„Deutschland im November“
Die Künstlerin beteiligte sich nicht an der Sanierung 2008/2009. Gemeinsam mit anderen Kunstschaffenden gründete sie die „Gründerinitiative East Side Gallery“ und kritisierte die Sanierung und die aus ihrer Sicht fehlende – auch finanzielle – Würdigung und Einbeziehung der Künstlerinnen und Künstler. Die Fläche, auf der sich ihr Bild befand, ist seitdem weiß-grau gestrichen und soll an den Zustand der Mauer zu Teilungszeiten erinnern.
Susanne Kunjappu-Jellinek
„Curriculum Vitae“
Die Künstlerin gab ihrem Bild bei der Sanierung 2008/2009 eine neue Farbigkeit und veränderte weitere Details. Stand das Bild von 1990 vor allem noch für die Freude über den Mauerfall, betonte die Künstlerin 20 Jahre danach die Erinnerung an die Todesopfer an der Berliner Mauer. Für jedes malte sie eine Rosenblüte an die entsprechende Jahreszahl.