Schauplatz des Kalten Krieges

© U.S. Army Heritage and Education Center
Als im Oktober 1961 US-amerikanische und sowjetische Panzer am Checkpoint Charlie auffuhren, wurde abermals offenbar, wie sehr die geteilte Stadt ein Schauplatz des Kalten Kriegs war. Im Sommer 1990 kamen die Außenminister der vier Siegermächte an diesem Ort zusammen, als sie in Berlin mit den beiden deutschen Staaten über ein Ende der Teilung verhandelten. Wo sich einst die Mächte des Kalten Kriegs feindlich gegenüberstanden, wollte man nun Bereitschaft zeigen, den weltumspannenden Konflikt beizulegen.
Im September und Oktober 1961 verweigert die DDR-Grenzpolizei immer wieder US-Militärangehörigen in Zivil das unkontrollierte Passieren der Grenze. Am Abend des 22. Oktobers 1961 trifft es auch Edwin A. Lightner, den stellvertretenden Chef der US-Mission in Berlin. Er ist mit seiner Ehefrau auf dem Weg zur Oper in Ost-Berlin. Die DDR-Grenzpolizisten fordern ihn auf, sich auszuweisen. Lightner weigert sich und beharrt auf dem Recht der West-Alliierten, unkontrolliert nach Ost-Berlin fahren zu dürfen. Nach fast zwei Stunden lässt er sich schließlich von der US-Militärpolizei mit zwei Jeeps und acht bewaffneten Militärpolizisten durch den Grenzübergang begleiten.

Eskorte der US-Militärpolizei für den stellvertretenden Chef der US-Mission Berlin, Allan E. Lightner, am DDR-Grenzübergang Friedrichstraße, 22.10.1961 © US Army/Privatbesitz
Der Konvoi dreht auf Ost-Berliner Gebiet direkt wieder um und fährt zurück nach West-Berlin, um gleich darauf den Grenzübergang noch einmal zu passieren und zurück zu fahren. Beim dritten Mal wird Lightner nicht mehr gestoppt. Nach diesem Vorfall erheben die USA vehementen Protest gegenüber der Sowjetunion. Mit Verweis auf den Vier-Mächte-Status pochen sie auf ihr Recht, sich in ganz Berlin frei bewegen zu können. Die Sowjetunion verweist dagegen auf die Regelung des zuständigen DDR-Innenministeriums. Demnach müssen Angehörige der westalliierten Streitkräfte, die in Zivil die Grenze passieren wollen, sich als solche ausweisen.
In den zwei folgenden Tagen kommt es in der Friedrichstraße immer wieder zu den gleichen Szenen: DDR-Grenzpolizisten hindern Angehörige der US-Streitkräfte in Zivil an der Durchfahrt, die dann von der bewaffneten US-Militärpolizei durch den Grenzübergang eskortiert werden. Doch am 25. Oktober greifen die USA zu schärferen Mitteln: Sie schicken zehn Panzer an den Checkpoint Charlie. Drei Panzer fahren auf der Friedrichstraße bis an die Grenzlinie vor, sieben weitere Panzer stehen rechts und links der Friedrichstraße auf Grundstücken unmittelbar an der Mauer. Abends ziehen die Panzer wieder ab, fahren am nächsten Nachmittag aber erneut auf und nach einer guten Stunde wieder ab.

US-Soldaten auf einem Panzer während der Panzerkonfrontation am Checkpoint Charlie © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Gerhard Neumann
Am 27. Oktober ist die Lage angespannter, denn es hat sich herumgesprochen, dass in der letzten Nacht sowjetische Panzer in Ost-Berlin angekommen sind. Erneut fahren die US-amerikanischen Panzer am Checkpoint Charlie auf und ziehen sich nach kurzer Zeit wieder zurück. Als der letzte amerikanische Panzer verschwunden ist, fahren erstmals zehn sowjetische Panzer auf der Ost-Berliner Seite des Grenzübergangs auf. Obwohl sie nach wenigen Minuten wieder abrücken, spitzt sich die Lage zu: Die inzwischen alarmierten US-amerikanischen Panzer kehren sofort an den Checkpoint Charlie zurück, woraufhin auch die sowjetischen Panzer wieder auffahren. Kurz nach 18 Uhr stehen sich die beiden verfeindeten Mächte des Kalten Kriegs mit Panzern mitten in Berlin bedrohlich gegenüber.
Die Nachrichten und die Bilder von der Panzerkonfrontation verbreiten sich schnell. Zahlreiche Journalisten und hunderte Schaulustige haben schon seit Tagen die Ereignisse am Checkpoint Charlie vor Ort verfolgt.
Die unmittelbare Konfrontation endet so rasch, wie sie gekommen ist. Am nächsten Morgen, nach 16 Stunden, ziehen zunächst die Panzer der Sowjetunion und dann die Panzer der USA wieder ab. In geheimen Verhandlungen haben sich die beiden Supermächte geeinigt, das medienwirksame Säbelrasseln zu beenden.
Die internationalen Verhandlungen zur deutschen Einheit
Am Vormittag des 22. Juni 1990 wurde am Checkpoint Charlie das Kontrollhäuschen der westlichen Alliierten in einem militärischen Festakt abtransportiert. Ein Symbol des Kalten Krieges in Berlin war überflüssig geworden. Der Zeitpunkt war nicht zufällig gewählt. An diesem Tag wurden die internationalen Zwei-plus-Vier-Verhandlungen zur deutschen Einheit in Ost-Berlin fortgeführt. Die daran beteiligten Außenminister der USA, der Sowjetunion, Frankreichs, Großbritanniens, der Bundesrepublik und der noch existierenden DDR nahmen gemeinsam am Festakt teil. Im Anschluss verhandelten sie im Ost-Berliner Schloss Schönhausen über die zukünftige Souveränität eines geeinten deutschen Staates. Das Treffen war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Zwei-plus-Vier-Vertrag, der im September 1990 unterzeichnet wurde und das Ende der Teilung Deutschlands besiegelte.
Nachgefragt
Erfahren Sie in Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mehr über die Ereignisse im Sommer 1990 und den Erinnerungsort Checkpoint Charlie.
2 + 4 = 1 demokratisches Deutschland
Florian Weiß im Gespräch mit Dr. Tim Geiger
Die komplexen historischen Zusammenhänge der internationalen Verhandlungen zur deutschen Einheit erklärt der Historiker Dr. Tim Geiger auf Nachfrage des Museumskurators Florian Weiß. Im Gespräch erläutern sie die unterschiedlichen Ansprüche und Forderungen der Verhandlungsparteien und beleuchten die diplomatischen Herausforderungen am Ende des Kalten Kriegs.
Es waren turbulente Zeiten
Prof. Dr. Hermann Wentker im Gespräch mit Markus Meckel
„Es waren turbulente Zeiten“, leitet der Zeithistoriker Prof. Dr. Hermann Wentker das Gespräch mit dem Zeitzeugen Markus Meckel ein, der vor 30 Jahren als Außenminister der DDR am Festakt am Checkpoint Charlie teilnahm und Gastgeber der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen im Schloss Schönhausen war. Gemeinsam richten sie den Blick zurück auf die Handlungsspielräume und Ziele des Politikers im Verhandlungsprozess zur deutschen Einheit.
Umbruchszeiten
Cornelia Thiele im Gespräch mit Ingrid Stahmer
Als Stellvertreterin des Regierenden Bürgermeisters Walter Momper nahm Ingrid Stahmer an dem Festakt zum Abbau des Checkpoint Charlies im Juni 1990 teil. In dem Gespräch mit Cornelia Thiele schaut sie zurück auf das Ereignis und die Herausforderungen, die sich ihr als Bürgermeisterin und Senatorin für Soziales und Gesundheit – zunächst in West-Berlin, dann im vereinigten Berlin – 1989/90 stellten.
Erinnern! Aber wie?
Dr. Agnes Bresselau von Bressensdorf im Gespräch mit Dr. Susanne Muhle
Die Historikerinnen Dr. Agnes Bresselau von Bressensdorf und Dr. Susanne Muhle sprechen über den Erinnerungsort Checkpoint Charlie und seine Anziehungskraft. Im Gespräch lassen sie die Debatten um den historischen Ort Revue passieren und richten den Blick auf die Zukunftspläne. Denn derzeit werden die Weichen gestellt für die Neugestaltung des Erinnerungsortes an dem berühmten Grenzübergang.
Einblicke in die Sammlungen der Stiftung Berliner Mauer und des AlliiertenMuseums
Entdecken Sie historisches Foto- und Filmmaterial sowie Exponate rund um den Checkpoint Charlie und die GÜSt Friedrichstraße/Zimmerstraße aus den Jahren 1989/90.
Goodbye Charlie
Historische Filmaufnahmen vom Abtransport des Kontrollhäuschens am Checkpoint Charlie
Am 22. Juni 1990 wird das alliierte Kontrollhäuschen am Checkpoint Charlie abgebaut. Bei diesem militärischen Festakt liegt die Regie in amerikanischer Hand. Für interne Dokumentationszwecke nimmt die US Army Berlin den gesamten Ablauf mit der Filmkamera auf. Das Material befindet sich im Besitz des AlliiertenMuseums.