Debatte um den Erinnerungsort

Blick auf das rekonstruierte alliierte Kontrollhäuschen, 2021 © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Gesa Simons
Die Entwicklung des Ortes ist seit dem Mauerfall immer wieder Teil von stadtentwicklungspolitischen und erinnerungskulturellen Debatten gewesen. Private Investoren haben dem Gebiet des ehemaligen Grenzübergangs bald eine neue Erscheinung verpasst. Gegen diese Entwicklung und gegen das Vergessen engagierten sich immer wieder verschiedene private und zivilgesellschaftliche Initiativen. Gleichzeitig nahm mit dem Anwachsen des internationalen Berlin-Tourismus auch die Zahl der täglichen Besucherinnen und Besucher stetig zu. Sowohl den Debatten als auch den Erwartungen der Gäste vor Ort gerecht zu werden, ist eine der Aufgaben des geplanten „Forums Checkpoint Charlie“.
Wie in der gesamten Stadt begann die DDR auch am Grenzübergang Friedrich-/Zimmerstraße 1990 mit dem Abtragen der Grenzanlagen. Nach und nach verschwanden die Grenzmauer und die Sicherungsanlagen des Grenzstreifens sowie die Abfertigungsgebäude und die gewaltige Überdachung des DDR-Grenzübergangs.
Das west-alliierte Kontrollhäuschen wurde am 22. Juni – anlässlich der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen in Berlin – feierlich demontiert. Zunächst übernahm es ein kleines Museum der US-Streitkräfte in Berlin-Dahlem, bevor es 1994 dem Deutschen Historischen Museum übergeben wurde. Heute ist es im Alliiertenmuseum zu sehen.
Angesichts des raschen Abbaus der Grenzanlagen gab es mahnende Stimmen und bürgerschaftliches Engagement für einen Gedenkort an dem ehemaligen Grenzübergang. Einer der Akteurinnen und Akteure war Rainer Hildebrandt, der Gründer und Leiter des Hauses am Checkpoint Charlie. Seine Initiative, einen Abschnitt der Mauer in der Zimmerstraße unter Denkmalschutz stellen zu lassen, scheiterte. So ließ er auf dem entstandenen Brachgelände an der Ecke Friedrich-/Zimmerstraße verschiedene Elemente der Grenzanlagen aufstellen und schuf so bereits 1991 eine Open Air-Ausstellung, die bis Ende 1993 zu sehen war.
Angesichts der Verkaufsverhandlungen des Landes Berlin mit einer Investmentgesellschaft, die auf den Grundstücken an der Friedrichstraße ein „American Business Center“ errichten wollte, rief er die Initiative „Rettet historischen Boden am Checkpoint Charlie“ ins Leben. Dank ihres Einsatzes wurde der Investmentgesellschaft im Kaufvertrag 1992 die Verpflichtung auferlegt, auf dem östlichen Grundstück an der Kreuzung Friedrich-/Zimmerstraße 600 Quadratmeter für eine Gedenkstätte zur Verfügung zu stellen.
In den folgenden Jahren wurden drei von fünf geplanten Gebäuden errichtet und die Fläche des ehemaligen Grenzübergangs wesentlich überbaut. Dann meldete die Investmentgruppe jedoch Konkurs an. Die beiden Grundstücke an der Zimmerstraße westlich und östlich der Friedrichstraße blieben unbebaut. Der Kontrollturm, ein letzter Überrest des ehemaligen Grenzübergangs auf dem östlichen Grundstück, fiel allerdings den Bauvorbereitungen noch zum Opfer. Er wurde im Jahr 2000 von den Investoren abgerissen, ungeachtet der ursprünglichen Planungen ihn in das Bauprojekt zu integrieren.

Erinnerungszeichen am Checkpoint Charlie, 2021 © Stiftung Berliner Mauer, Gesa Simons
Obwohl der Grenzübergang aus dem Stadtbild getilgt war, wuchs im Laufe der 1990er Jahre das Interesse an dem historischen Ort und seinen Spuren. In der Folge ließ das Land Berlin auf der ehemals West-Berliner Seite des Grenzübergangs Ende der 1990er Jahre und Anfang der 2000er Jahre Installationen zur Erinnerung an den historischen Ort vornehmen: Eine Kunstinstallation bestehend aus einem Leuchtkasten mit zwei Porträtfotos von einem amerikanischen und einem russischen Soldaten und eine Stele mit Fotografien und Informationen erinnern seitdem vor Ort an die Panzerkonfrontation. Eine doppelte Pflastersteinreihe markiert den Verlauf der Grenzmauer wie an vielen Orten in der Innenstadt. Und auch das Haus am Checkpoint Charlie/Mauermuseum prägte den Ort: Es ließ zur selben Zeit eine Nachbildung des viersprachigen Sektorengrenzen-Schildes aufstellen und das alliierte Kontrollhäuschen auf einer Verkehrsinsel nachbauen, und zwar in der Version von 1961.
In den Folgejahren gab es immer wieder Debatten um angemessene Formen des Erinnerns an diesem historischen Ort. Sie wurden durch Imbiss- und Souvenirbuden sowie Darsteller in Uniformen, die sich gegen Bezahlung als Fotomotiv vor dem Kontrollhäuschen anboten, und schließlich durch eine umstrittene Aktion des Mauermuseums/Haus am Checkpoint Charlie ausgelöst. Es ließ 2004 auf den unbebauten Flächen an der Kreuzung über 1.000 schwarze Holzkreuze in Erinnerung an die Todesopfer der innerdeutschen Grenze errichten und 120 Mauersegmente aufstellen.

Umstrittenes „Freiheitsmahnmal“ des Mauermuseums, 2004 © Stiftung Berliner Mauer, Yvonne Kavermann
In Expertenkreisen erntete die Installation viel Kritik, in der Öffentlichkeit, vor allem bei den Besucherinnen und Besuchern fand sie aber durchaus Anklang, und offenbarte so eine Fehlstelle in der Erinnerungskultur zur Berliner Mauer. Der Senat von Berlin reagierte und ließ ein Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer erarbeiten, das 2006 verabschiedet und von der Bundesregierung mitgetragen wurde. Das Konzept sieht eine Verknüpfung der zahlreichen und vielfältigen Mauerorte in Berlin vor, die sich in ihrer thematischen Ausrichtung ergänzen sollen. Für den Checkpoint Charlie und das verbliebene Areal der ehemaligen Grenzübergangsstelle wurde festgelegt, dass hier die internationale Dimension der Berliner Mauer vermittelt werden soll.
Aber in Anbetracht ungeklärter Grundstücksfragen und immenser Grundschulden, die auf den unbebauten Grundstücken lasteten, wurde dieser Plan bislang nicht umgesetzt. Trotz umfangreicher Bemühungen und einer bürgerschaftlichen Initiative, getragen von Expertinnen und Experten aus Politik und Wissenschaft, die sich bis heute für die Einrichtung eines „Zentrums des Kalten Kriegs“ am ehemaligen Checkpoint Charlie einsetzt, konnten bislang nur temporäre Angebote geschaffen werden wie eine Bauzaunausstellung und eine kleine Dauerausstellung in der BlackBox Kalter Krieg.
Seit einigen Jahren bemüht sich die Berliner Landesregierung wieder intensiver um eine Qualifizierung des Erinnerungsortes. So verabschiedete 2020 das Abgeordnetenhaus einen Bebauungsplan für die Grundstücke, der eine Fläche von 1.150 Quadratmeter für einen Bildungs- und Erinnerungsort auf dem östlich der Friedrichstraße gelegenen Grundstück an der Zimmerstraße sichert und einen solitären Museumsbau ermöglicht. Auf dem westlich gelegenen Grundstück ist ein Stadtplatz festgelegt, der mehr Platz für die Besucherinnen und Besucher des historischen Ortes schafft und in das Gesamtkonzept „Forum Checkpoint Charlie“ integriert wird. Im Zuge des Verfahrens wurden die räumliche Struktur der Grundstücke mit den wenigen vorhandenen Spuren des Grenzübergangs und die historischen Brandwände der angrenzenden Gebäude in die Denkmalliste des Landes Berlin eingetragen.
Planungsrechtlich sind somit die Weichen für eine Aufwertung des weltweit bekannten Erinnerungsortes gestellt. Es bedarf aber noch einer politischen Entscheidung, wie die Realisierung des „Forums Checkpoint Charlie“ erfolgen kann.
Zukunft Checkpoint Charlie – Bebauungsplan 1–98
Hier finden Sie Informationen zum Planungsprozess des Landes Berlin am Checkpoint Charlie.
Vision Forum Checkpoint Charlie
Erfahren Sie mehr zu unserer Idee für den neuen Erinnerungsort.