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Günter Litfin

Blick in den geöffneten Grenzstreifen mit Führungsstelle 1991.

Blick in den geöffneten Grenzstreifen mit Führungsstelle 1991 © Archiv der Versöhnungsgemeinde, Foto: Harry Lange

Portrait Günter Litfin, circa 1960

Günter Litfin, ca. 1960 © Stiftung Berliner Mauer, Schenkung von Jürgen Litfin

Leben

Günter Litfin wurde 1937 in Berlin geboren. Er hatte einen Zwillingsbruder und drei jüngere Brüder. Zunächst wohnte die Familie im Wedding, ab 1940 dann in Weißensee, im späteren Ost-Berlin. Günter war sehr modebewusst und träumte von einer Karriere als Theaterschneider. Wegen seines eleganten Auftretens musste er sich oft hämische Kommentare anhören. Nach Abschluss seiner Schneiderlehre 1957 arbeitete er in einem Maßatelier in der Nähe vom Bahnhof Zoo in West-Berlin. Er gehörte also zu den vielen sogenannten „Grenzgängern“ zwischen dem Ost- und Westteil der Stadt. Diese standen in der DDR zunehmend unter Druck. Um Schwierigkeiten zu umgehen, nahm er sich eine Wohnung in West-Berlin. Dort meldete er sich jedoch nicht polizeilich an, damit er weiterhin seine Familie besuchen konnte. Den endgültigen Umzug verschob Litfin, als im Mai 1961 sein Vater starb um seiner Mutter zur Seite zu stehen. Der Mauerbau am 13. August 1961 zerschlug dann plötzlich seine Zukunftspläne. Durch die Grenzschließung verlor Günter Litfin seine Arbeit und begann, über eine Flucht nach West-Berlin nachzudenken.

Portrait Günter Litfin, circa 1960

Günter Litfin, ca. 1960 © Stiftung Berliner Mauer, Schenkung von Jürgen Litfin

Fluchtvorhaben und Fluchtversuch

Zusammen mit seinem Bruder Jürgen fuhr Günter Litfin in den Tagen nach demMauerbau die Grenze mit dem Fahrrad ab. Sie hielten Ausschau nach möglichen Fluchtwegen. Die Zahl der gelungenen Fluchtversuche war in diesen Tagen groß. Einige fanden eine geeignete Lücke und nutzten einen unbeobachteten Moment zur Flucht. Vielen Menschen, auch Litfin, schien es unvorstellbar, dass Grenzsoldaten von der Waffe Gebrauch machen würden. Am 24. August 1961 um kurz nach 16 Uhr versuchte Litfin dann die Flucht: Zwischen Bahnhof Friedrichstraße und dem Lehrter Bahnhof gelang er über das Gelände der Charité zum Ufer der Spree. Als Ostberliner Polizisten ihn entdeckten und Warnschüsse abgaben, sprang Litfin in das Becken des angrenzenden Humboldthafens. Die Polizisten eröffneten das Feuer gegen ihn. Kurz bevor er das West-Berliner Ufer erreichte, traf ihn eine Kugel am Hinterkopf und verletzte ihn tödlich. Auf West-Berliner Seite versammelten sich rund 250 Menschen, bis der Leichnam von Günter Litfin am Abend von der Ost-Berliner Feuerwehr geborgen wurde.

Spree und Grenzstreifen am Alexanderufer im November 1989.

Spree und Grenzstreifen am Alexanderufer im November 1989 © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Christiane Höing

Reaktionen von Ost und West

Günter Litfins Tod rief im Westen große Empörung hervor. Dies zeigte sich auch in der Berichterstattung in den Tagen nach seinem Fluchtversuch: Die Berliner Zeitung („BZ“) titelte "Ulbrichts Menschenjäger wurden zu Mördern!". Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" verurteilte die "brutale Kaltblütigkeit" der Grenzposten. Am Humboldthafen kam es zu spontanen Protestbekundungen durch die West-Berliner Bevölkerung. Ein Jahr nach Günter Litfins Tod wurde 1962 an der Stelle ein Gedenkstein aufgestellt.
Ganz anders sahen die Reaktionen in der DDR aus. In Presseberichten wurde Litfin als Krimineller dargestellt und namentlich verunglimpft. Das "Neue Deutschland" schrieb von einem Tod durch Ertrinken und verschwieg die tödlichen Schüsse. Er wurde aufgrund von angeblicher Homosexualität und Kontakten nach West-Berlin diffamiert. Gegenüber der Familie wurde der Vorwurf erhoben, Litfin habe vor seiner Flucht eine Krankenschwester sexuell belästigt. Am 26. August erfuhr Familie Litfin  im West-Fernsehen vom Tod des geliebten Sohns und Bruders. Sie wurden verhört und schikaniert und müssen zu den Todesumständen schweigen.
Im vereinigten Deutschland wurden 1997 die beiden diensthabenden Transportpolizisten, die verantwortlich für den Tod von Günter Litfin waren, vor Gericht gestellt. Das Urteil lautete: „Die Angeklagten sind des Totschlags schuldig“. Beide, auch der eigentliche Schütze, erhielten jedoch eine geringe Freiheitsstrafe, die vom Landgericht Berlin auf eine Bewährungsfrist von einem Jahr festgesetzt wurde.

 

Biographie

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